Die Bedeutung der standardisierten Gerinnungsanamnese in der Geburtshilfe

Language
de
Document Type
Doctoral Thesis
Issue Date
2015-04-02
Issue Year
2015
Authors
Renner, Ilona
Editor
Abstract

Die häufigste Ursache der Müttersterblichkeit ist die schwere Blutung. Inter-nationale und nationale Leitlinien empfehlen dazu anstatt einer präpartalen Labordiagnostik die Durchführung einer ausführlichen Anamnese zur Erkennung von Blutungs- oder Thromboserisiken. Bisher wurde noch kein strukturierter Anamnesebogen in diesem Zusammenhang evaluiert. Mit der vorliegenden Studie wurde ein standardisierter Gerinnungsfragebogen bezüglich der Vorhersagbarkeit des Blutungsrisikos und der Erkennung von Gerinnungsstörungen bei Schwangeren validiert.

1000 Frauen, die ab dem 01.09.2010 in der Universitätsfrauenklinik entbunden haben, wurden in die Studie eingeschlossen. Jede dieser Frauen sollte bei Erstkontakt in der Klinik einen Gerinnungsfragebogen ausfüllen und je nach Blutungsrisiko sollte eine weitere Abklärung in der Gerinnungsambulanz der Transfusionsmedizinischen und Hämostaseologischen Abteilung des Universitätsklinikums Erlangen erfolgen. Von allen Patientinnen wurden Daten zur aktuellen und vorherigen Schwangerschaft, zum Geburtsverlauf, zu den ersten postpartalen Tagen, zum Fragebogen und zur Vorstellung in der Gerinnungsambulanz erfasst. Die statistischen Auswertungen erfolgten in Excel und in Zusammenarbeit mit dem Institut für Medizininformatik, Statistik und Biometrie der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen. Diese bezogen sich zum Einen auf das Gesamtkollektiv und zum Anderen auf ein gesondertes Validierungskollektiv mit 704 Frauen (Patientenkollektiv Z). Darin wurden nur Patientinnen eingeschlossen, die alle 14 Fragen des Gerinnungsfragebogens beantwortet hatten (ausgenommen Frage 11 c - hier wurde auch eine fehlende Antwort akzeptiert), Frage 1, 2, 11 a und 11 b verneinten, keine vorbekannten gerinnungsrelevanten Diagnosen und Ereignisse, kein HELLP-Syndrom und keine gerinnungswirksamen Medikamente vorzuweisen hatten.

Im Validierungskollektiv fanden sich 260 Patientinnen, die mindestens eine Frage des Gerinnungsfragebogens bejaht haben, aber nicht nur Frage 7. Lediglich 12 Frauen (4,6 %) wurden in der Gerinnungsambulanz vorstellig. Bei einer konnte eine Thrombozytopenie diagnostiziert werden, die übrigen wiesen einen unauffälligen Befund trotz eines auffälligen Fragebogens auf. 10 dieser 12 Patientinnen sollten zu einer erneuten Kontrolldiagnostik erscheinen. Nur eine (8,3 %) folgte dem ärztlichen Rat. Betrachtet man das Validierungskollektiv bezüglich des peripartalen Blutverlustes, findet sich bei 76,1 % der 301 Patientinnen mit mindestens einer bejahten Frage ein geringer, bei 20,3 % ein normaler und bei 3,6 % ein großer Blutverlust. Unter den 403 Frauen mit negativem Fragebogen findet sich eine nahezu identische prozentuale Verteilung. 76,7 % wiesen einen geringen, 19,3 % einen normalen und 4,0 % einen großen Blutverlust auf. Bei den 301 Frauen mit einem auffälligen Fragebogen fand sich bei 5,3 % und bei 8,4 % der 403 Frauen mit negativem Fragebogen eine postpartale Blutungskomplikation. Auch die weiteren statistischen Auswertungen ergaben keine Zusammenhänge zwischen einem hohen peripartalen Blutverlust bzw. postpartaler Blutungskomplikationen und den jeweiligen gegebenen Antworten ausgewählter Fragen des Fragebogens.

Der in dieser Evaluierungsstudie untersuchte Gerinnungsfragebogen der Firma CSL Behring scheint zwar generell ein dienliches Instrument zur Durchführung einer strukturierten Gerinnungsanamnese zu sein, jedoch werden hämophile Gerinnungsstörungen im Hinblick auf ein erhöhtes peripartales Blutungsrisiko unter den getesteten und speziellen Bedingungen der schwangeren Patientin mit diesem Fragebogen nicht zuverlässig detektiert. Aufgrund der schlechten Compliance der Frauen im Hinblick auf die Wahrnehmung der Kontrolluntersuchungen sind jedoch weitere prospektive Studien anzuraten, um die Wertigkeit des Fragebogens bei Schwangeren zur Erfassung eines Blutungsrisikos besser beurteilen zu können.

DOI
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